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  • AutorenbildBergrettung OÖ

Lawineninfo am 16. Februar 2023

Unser Lawineninfo ist gedacht für alle, die sich mit Schnee und Lawinen auseinandersetzen wollen.

Wir sammeln Lawinenereignisse, versuchen sie zu analysieren und wollen unsere Beobachtungen über die ständige Veränderung der Schneedecke mit euch teilen. Wir haben 2 Wochen hinter uns, in denen sich die Schneedecke und die Lawinensituation extrem rasch veränderte.

Fr. 3.2.2023: Riesenlawine auf dem Dachstein, spontan, keine Personenbeteiligung


Infos und Bilder wurden

zusammengetragen von den

Bergrettern Klaus Berger, Alex

Binder, Michael Gruber,

Manfred Hiebl, Robert

Kniewasser, Gerald Lehner, Paul

Sodamin, Heli Steinmassl und

der Flugpolizei

Riesenlawine am Dachstein:

Vor drei Jahren sind 5 Alpinisten

aus Tschechien in diesem Hang

durch ein riesiges Schneebrett

ums Leben gekommen. Die

Lawine haben sie vermutlich

selbst ausgelöst. Diesmal ist die

Lawine noch größer und

mächtiger, ist aber spontan, also

ohne Personenbeteiligung

abgegangen. Die Anrißdicke wird auf 3 bis 4 Meter geschätzt. Laut Wilfried Schrempf, dem Wirt der Seethalerhütte, ist die Lawine bereits am Freitag abgegangen. Gottseidank war das Wetter so schlecht, dass an diesem Tag niemand auf den Dachstein gestiegen ist.


Der letzte große Schneefall:

Nach bzw. während dem

intensiven Schneefall am Do. 2.,

Fr. 3. und Sa. 4. Februar sind

riesige Lockerschnee- und

Schneebrettlawinen

abgegangen. Viele Anrisse kann

man, obwohl sie zT. wieder

eingeschneit bzw. überweht

wurden, immer noch sehen.


Paul Sodamin hat etwas links von der

Dachstein-Lawine, in 2750m Seehöhe

eine Schneeprofilaufnahme gemacht.

Die Lawine ging genau über den Zustieg

zur Randkluft, also den Normalanstieg

auf den Dachstein.

Es sind 2 Gleithorizonte in der

Schneedecke!

Die Bilder zeigen die Schwachschichten.

Auslösung beim Compression-Test:

CT 3 und der nächste CT 5

Vorsicht ist geboten.

Abstand halten wäre sehr sinnvoll!

Was war die Ursache für diesen

extrem labilen Moment?

Die Kombination von viel Neuschnee,

starkem Wind und rasche Erwärmung,

mit Plusgraden, kurzfristig bis ins

Mittelgebirge, so wie es Freitag Nacht der Fall war, schaffen einen extrem labilen Moment, der allerdings zeitlich eingegrenzt war. Samstag Nachmittag war durch die Abkühlung das Schlimmste schon wieder vorbei.


Klaus Hoi hat schon früher das Wort

„Lawinenzeiten“ geprägt. Und genau

diese drei Tage (2.-4.2.2023) waren ein

solche, sie waren die schärfsten Tage

des bisherigen Winters. Eine extrem

lawinenaktive Zeit, in der man sich sehr

defensiv verhalten muss um zu

überleben. In solchen Zeiten meidet

man jeden Hang über 30 Grad. Zugleich

muss man großräumig jedes

Einzugsgebiet von weiter oben

berücksichtigen. Lawinen können in

solchen Zeiten auch sehr große

Ausmaße erreichen.

Diese Lawinenzeit fordert 8

Lawinentote in Österreich.

Die österreichische Bergrettung musste

zu 25 Lawineneinsätzen alleine am

Samstag den 4.2. ausrücken! Es ist sehr wichtig, diese Lawinenzeiten rechtzeitig zu erkennen, es sind meistens nur sehr wenige Tage pro Winter, und gerade dann auf steile

Hänge zu verzichten.

Fr. 3.2.2023: Gosau Zwieslalm, Gefahrenstufe 4 (Bericht unter Bergrettung OÖ-Aktuelles)

Am Freitagvormittag ereignete sich im Bereich der Zwieselalm im freien Skiraum ein

Lawinenabgang, bei dem eine Person vollständig verschüttet wurde. Eine fünfköpfige Gruppe von Skifahrern und Snowboardern wollte in einen Hang abseits der gesicherten Pisten einfahren. Der als erster fahrende Snowboarder löste unterhalb der Bergstation der Zwieselalm Panorama-Jet Bahn ein Schneebrett aus. Der Snowboarder wurde durch die Schneemassen mitgerissen und vollständig verschüttet. Nach der Alarmierung begannen die anderen Gruppenmitglieder mit der Suche. Der Snowboarder konnte nach kurzer Suche geortet und befreit werden. Allerdings zog sich der Mann schwere Verletzung zu und wurde mit dem Rettungshubschrauber in das Krankenhaus geflogen. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass auch andere Personen betroffen sind, wurde eine großangelegte Rettungsaktion mit über 80 Bergrettern aus den umliegenden Bergrettungsortstellen und fünf Hubschraubern eingeleitet.


Es ist erschreckend, dass trotz intensiver Warnungen bei Gefahrenstufe 4, so viele Variantenfahrer in diesen Steilhang einfuhren.


Fr. 3.2.2023: Viele Lawinenauslösungen

Viele weitere SchneebreFer konnten erst bei klarer Sicht ab 4.2.2023 gesehen werden, sie alle sind am Freitag Abend (3.2.) oder am Samstag (4.2.) in den frühen Morgenstunden abgegangen.




Gr. Priel Kühkar



Warscheneck, Glöcklkar

Gr. Pyhrgas Südost

Temelberg, Klinserschlucht


Merkenstein, Sengsengebirge

Schobertal

Warscheneck

Wassertal



Dietlhöll



Tragl, Tauplitz

Wassertal, Lawinenkegel

Sa. 5.2.2023: Durch den letzten Schneefall wurde Graupel eingelagert!

Normalerweise ist Graupel ein „warmer“ Schnee, entsteht etwa bei 0 Grad, oft bei Wintergewitter. Er bindet sich relativ rasch mit den anderen Schichten. Hier jedoch,

wurde die Graupelschicht durch die extreme Kälte konserviert und diente als Kugellager-Gleitschicht.

Sogar eine Woche später war sie noch mit großer Zusatzbelastung ansprechbar!

In manchen Hängen konnten wir sogar 2 Graupelschichten finden.

Die Luft + Oberflächentemperatur bewirkten darüberhinaus ab Sonntag Abend (6.2.) eine schnell einsetzende aufbauende Umwandlung der oberen Schneeschicht. Und in den

klirrenden klaren Nächte entstand zusätzlich Oberflächenreif.


Teilweise flächendeckend eingeschneiter Graupel Hier auf 2 Ebenen

6. - 10.2.2023: Extreme Kälte

Mehrere Tage lang, von Montag bis Donnerstag herrschten Lufttemperaturen von Minus 10 bis 20 Grad! Die Schneeoberflächentemperatur erreichte durch die starke Abstrahlung in den klaren Nächten fast Minus 30 Grad! Da wir in OÖ zu wenig Wetterstationen für das Tote Gebirge haben, nehme ich gerne die steirischen Stationen Loser oder Tauplitz als Referenz.

Beim Anblick dieser kalten Tage auf den Wetterstatonen, müssen sofort die Alarmglocken läuten!

Dabei entsteht innerhalb weniger Tage eine gefriergetrocknete Schneeoberfläche, also

Schwimmschnee. Die Gefahr beginnt aber erst dann, wenn er eingeschneit oder mit Triebschnee überlagert wird. Nur Wärme vor dem nächsten Schneefall könnte ihn zerstören.



Mi. 8.2.2023 Zu allem Überfluss kam auch noch der kalte Südostwind dazu!

Es ist sehr erstaunlich, wie schnell sich die Schneedecke verändert. War am Sonntag gerade noch die Neuschneemenge mit Gefahrenstufe 4 das vorherrschende Thema, ist zwei Tage später die Gefahrenstufe auf 2 heruntergestuft. Im nächsten Moment beschäftigt uns aber der kalte


Südostwind mit seinen starken Verfrachtungen. Und am Mittwoch konnte man südseitig schon schöne Firntouren unternehmen!

Der SO-Wind begann am Mittwoch (8.2.) mittags (siehe Wetterstation Loser) und dauerte bis

Donnerstag mittags. Der schöne Pulver wurde großteils verblasen. Die Windgeschwindigkeiten erreichten 60 bis 80 km/h! Bei dieser Windstärke ist innerhalb 24 Stunden ganz schön viel Schnee verfrachtet worden. In den Föhnbereichen (Warscheneck Nord, Hallermauern Nord) wurde der Schnee auch weit unter der Waldgrenze verfrachtet.


Do. 9.2.2023 Dieses Schneebrett wurde im Bereich Laglalm von einer Person ausgelöst.


Innerhalb 24 Stunden ist ein 80 cm dickes Triebschneepaket eingeweht worden!


2 Tourengeher waren auf den Mannsberg gestiegen und kürzten bei der Abfahrt den Rückweg mit einer Querung durch den Steilhang ab. Auf 1340 m passierte es: der erste

Tourengeher löste das Schneebrett aus. Sie befanden sich gerade 200 m westlich der Laglalmhütte in einem sehr steilen Nordnordosthang. Durch die Belastung des Tourengeher

wurde das harte Brett ausgelöst. Der Mann wurde 200 m mitgerissen, prallte gegen einen Baum, wurde aber nicht verschüttet. Er erlitt Kopf- und Knieverletzungen.

Das Schneebrett: Nordhang Anriss 48 Grad steil Rutschbahn etwa 35 Grad Trocken

40 m breit bis zu 80 cm dick. Extrem hartes frisch eingewehtes Triebschneepaket. Der

Mitgerissene hatte zwar ein Pieps aber weder Schaufel noch Sonde dabei.

Der Südostwind hat von Mittwoch Mittag bis Donnerstag Mittag starke Verfrachtungen in die Nord und Westhänge bewirkt. Die Reakton der Beteiligten: Es war ja eh nur ein Einser!


Wintersportler reagieren auf offensichtliche Gefahren gar nicht oder viel zu langsam!


Hinterstoder:

Schneeschlitzspitz - Westrinne

Roter Punkt: Schneebrett

Wir beobachten häufig, dass nur sehr wenigen Wintersportlern bewußt ist, wie schnell sich die Lawinengefahr verändern kann, wie hier durch den beginnenden starken Wind, wo die Gefahr plötzlich um

ein Vielfaches höher ist! Viele reagieren auf Schnee oder Wetterveränderungen gar nicht und bleiben trotz dem zB. einsetzenden Wind bei ihrem ursprünglich

angestrebten Tourenziel, anstatt sofort umzudenken und sich für eine windstillere und sicherere Variante zu entscheiden.

Leider haben wir in OÖ in den Gebieten Hallermauern und Totes Gebirge viel zu wenig Wetterstationen, sodass

man auf keiner Station die Heftigkeit dieses SO-Windes so richtig erkennen konnte. Sogar die Station Arlingsattel,

die genau in einer Föhnschneiße steht, liegt bei starkem Ost- oder Südwind im Windschatten.

Do. 9.2.2023 Auch in Hinterstoder lösen

Tourengeher ein Schneebrett aus

In Talabschluss von Hinterstoder, in der

Schneeschlitzspitz-Westrinne oberhalb des Poppensandes, haben 2 Tourengeher im Auslaufbereich der steilen Westrinne ein Brett ausgelöst. Sie hielten keine Abstände. Nix passiert.

Der Südostwind hatte ab Mittwoch Nachmittag Schneemassen stark in die Nord und Westhänge verfrachtet. Diese Westrinne ist eine typische Föhnrinne, hier legt sich bei südlicher Strömung der Föhnwind voll hinein und bläst durch die ganze Rinne hinunter.


Sa. 11.2.2023 haben Tourengeher am Kl. Priel im Stücklerkar ein Schneebrett ausgelöst


Eine Tourengehergruppe hatte am Ende

des Kares, im hintersten Winkel, im

Aufstieg, ein Schneebrett fernausgelöst.

Exposition Nordost.

Seehöhe: 1450 m

Anriss ca 40 - 45 Grad

50 cm Anrisshöhe

50 m Breite

Entlastungsabstände waren vorhanden.

Durch Flucht gab es keine Verschüttung.

Die Ursache dürfe auch hier der Südostwind gewesen sein. Am linken Rand sieht man eine kleine Staublawine, ein eindeutges Zeichen dafür, dass oben wieder starker Wind eingesetzt hat.


Blankeis in den Gipfelregionen. Die starken Winde (am Feuerkogel bis 144

kmh) haben die ausgesetzten

Gipfelbereiche und windexponierte Stellen

in einen Eislaufplatz verwandelt.

Harscheisen und/oder Steigeisen sind

dringend zu empfehlen.



Gleitlawinen, Fließlawine,

Kriechlawine, Grundlawine

Vier Bezeichnungen für die

selbe Lawinenart.

Sehr typisch dafür ist:

Es klaffen immer zuerst

Schneemäuler auf. Eine gewisse

Schneemächtigkeit ist

Grundvoraussetzung und der

Untergrund ist meist Gras.

Nach dem großen Schneefall

werden besonders an den

momentan wärmeren Tagen

Gleit- bzw. Fließlawinen aktiv.

Sie gleiten nur sehr langsam ab,

oft nur ein paar cm pro Tag.

Auch mit großer Zusatzbelastungen oder

Sprengungen kann man solche

langsam kriechende Lawinen nicht aus der Ruhe bringen Diese Grundlawinen sind

kalkulierbar und offensichtlich, nicht so tückisch wie Schneebrettlawinen.


Danke an alle mitwirkenden Kameraden:

Infos und Bilder wurden zusammengetragen von Klaus Berger, Alex Binder, Michael Gruber,

Manfred Hiebl, Robert Kniewasser, Gerald Lehner, Paul Sodamin, Heli Steinmassl und der

Flugpolizei


Heli Steinmassl, Lawinenreferent der Bergrettung OÖ



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